Shift


2021

Gallerie Bernau (Bernau bei Berlin)

Steel, concrete / Audiopiece


In einem Baugerüst sind die trittsicheren Böden gefalteten Textilen aus Beton gewichen, die hier wie zum Trocknen zu lagern scheinen. An manchen Stellen offenbart die poröse Oberfläche des industriellen Gussmaterials die darunterliegenden Schichten der Armierung aus Draht und Spanplatte und erlaubt so einen Einblick in Herstellungsprozess.

Dieser skulpturale Verweis auf Umbau und Veränderung bildet die Bühne für eine Soundarbeit. Sie führt zu dem ältesten Industriegebäude auf Alt-Stralau, der Spreehalbinsel, die aktuell Schauplatz eines umstrittenen städtebaulichen Aufwertungsprojektes ist. Akustische Raumeindrücke, Radiomitschnitte zu historischen Ereignissen und die Stimmen von Menschen, deren Leben mit dem Ort verknüpft sind, fügen sich zu einem dichten Gewebe, das eineinhalb Jahrhunderte wechselvoller Geschichte umspannt. 1865 als Teppichfabrik erbaut, war das Gebäude ab den 1920er Jahren mit der Drahtproduktion und der Radio- und Rundfunkindustrie verbunden. Mit der Wende folgen Fabrikübernahme, Arbeitskämpfe, Schließung, Zwischennutzung, Besetzung und aktuell der Umbau zur exklusiven Wohnimmobilie. Neben einem Historiker kommen eine ehemalige Arbeiterin, ein Gewerkschaftssekretär, ein Graffitikünstler und zwei Brüder zu Wort, die als Kinder in der Werksvilla lebten. In ihren Erinnerungen wird der Ort nicht nur als Knotenpunkt in einem Netz aus räumlichen, zeitlichen und politisch-ökonomischen Bezügen, sondern auch als Resonanzraum ganz persönlicher, emotionaler Erlebnisse lebendig.

Wie die landschaftlichen Faltungen des einst fließenden Betons bringt Alison Darbys archäologisches Porträt die vielgestaltigen topografischen Schichtungen des urbanen Ortes an die Oberfläche.


Text: Stefanie Bringezu


Link zur Soundarbeit